Montag, 21. Juni 2010

DAS AHNDL


Nach der Katastrophe (1:0 Niederlage gegen Serbien/Restjugoslawien) ging ich mit Inge Donara ins Ringelnatz zum Abendmahl (es war nicht das letzte...) und anschließend vergeblich zum Eisessen ins geschlossene BARTU - nein meine Damen, hier gibt's keine Schuhe sondern ausgesprochenes köstliches, figurbetonendes Gelati - bevor wir im TamS das futuristische Wilderdrama "dahoam is nimmer dahoam" von Maria Peschek erlebten. Wie so oft kam ich wie die Jungfrau zum Kind, jedenfalls kannte ich die AkteurInnen überhaupt nicht und das romantische Theater am Sozialamt im einstigen Schwabinger Brausebad nur von außen. Tja und plötzlich waren wir mittendrin, jedenfalls endete die Brausebadbühne nicht im Orchestergraben sondern eine Reihe hinter uns, wo eine Volkshochschulprofessorin aus Tutzing (oder Starnberg) in der Halbzeitpause für eine Slepstick-Einlage sorgte.
Ursprünglich wollte wir am Mittwoch gehen, aber dann wurden Inge Donara und Nadine Salomon (Konfektionsgröße 36-38) gleichzeitig krank, so dass Maria Peschek die Rolle der Prinzessin übernehmen musste. Die trug - und das fand ich besonders schamanisch - keine Krone, sondern eine knochenbleiche Haube mit Rehkrickerl (Lady Diana lässt grüßen). Die Geburt der Vorstellung, die sich von Anfang Mai bis gestern von Mittwoch bis Samstag wiederholte, erfolgte durch einen österreichischen Kaiserschnitt. Mit frisch gewetztem Messer schlitze die männliche Hauptrolle (Mutter/Wilderer Girgl) den ZuschauerInnen nicht die Kehle sondern einen Plastiksack auf, der die Kostümierung (Kleiderspende/Almosen) enthielt. Viel war den Heimatlosen im düsteren Brausebad, die sich nur lückenhaft erinnern konnten, wer sie waren und woher sie kamen, nicht geblieben, selbst das Rosenkranzbeten hatten sie verlernt. Nix war nach dem Urknall mehr so, wie's einmal war; London driftete nach Hamburg und der Zwick-Badeort Füssing wurde zu dem was es schon immer war, eine Insel der glückseligen Amigos, die nicht nur in Bayern die Narrenfreiheit haben. Die Superreichen, die mit sich selbst nichts anzufangen wissen und aus frustrierter Langweile die Apokalypse realisierten, residieren nach dem großen Rumser auf grünen Golfplätzen, die im Vorfeld aus einem Burda-Modeheft (Bambi Maria Furtwängler) entnommen und von der Bühnenbildnerin (Schöpferin) auf eine imaginäre Weltkarte fixiert worden sind.

Eine tragende Rolle spielt das Ahndl (Österreich: Erbverwandte/Großmutter), die seit ihrem Tod im Kasten (Sarg/Schrank) aufbewahrt wird. Die Erblasserin riecht nicht mehr gut, die seifige Haut hängt in Fetzen herab, trotzdem (bzw. aus diesem Grund) verlangt sie täglich nach Schnaps, den sich der Flaschengeist mit den ErbInnen, die nichts mehr zu verlieren haben, teilen muss. Die mütterliche Doppelrolle (Mutter/Wilderersohn Girgl) verkörpert scharfsinnigerweise ein Mannsbild namens Christian Buse, der mich, wenn er mit dem Teppichklopfer auf den einfältigen Buben eindrosch, intuitiv an Mutter Anka erinnerte. Zwischendrin hatte die Alleinerziehende lichte Momente und analysierte ihre Gewaltbereitschaft, die laut Maria Peschek, nicht von Innen (vom Herzen) sondern von Außen kommt. Tatsächlich spülte mein tablettensüchtiges Ahndl die Psychopharmaka, welche sie in den Wechseljahren von ihrem Hausarzt verschrieben bekam, mit einem hochprozentigen Stamperl hinunter, das sie u. a. mit selbst eingekochten Hollersaft mischte. Mit der Lichterscheinung "Auf diese Fläche wird nichts projiziert", ging es nach dem Untergang der D-Mannschaft mit 5:0 in die Halbzeitpause, die von vielen ZuschauerInnen (es waren mehr Frauen wie Männer) genutzt wurde, um die Nikotinsucht zu befriedigen oder die Eindrücke auf der Toilette zu verdauen. Inge Donara und ich blieben auf unserer Reservebank (Platznummer 25/24) nach dem Motto sitzen: "Mei wenn's im Irrenhaus a Internet gibt, geh' i freiwillig nach Gab'asee". Das Klinikum Gabersee (Gardasee) heißt seit 1. Januar 2007 offiziell Inn-Salzach-Klinikum. Wie's der innenpolitische "Stoiber-Zufall" will, änderte auch mein Pflegeheim Anfang 2007 Namen und Adresse. Die Zwangshochzeit fand an einem Tag statt, an dem sich der Gehirnschlag von meinem Ahndl zum 16ten Mal jährte. Der war am 17. Wiegenfest der Urenkelin (7. 2. 74) ein Licht aufgegangen: nicht von der widerspenstigen Wilderin, die sich weder kaufen noch zähmen ließ, drohte Lebensgefahr, sondern von den Kaiserjägern, die bis heute vom 1000jährigen Habsburgerreichs träumen: Seit der Wahl Albrechts II. anno 18. März 1438 stellten die Habsburger bis auf eine 3jährige Ausnahme sämtliche Kaiser des Heiligen Römischen Reiches bis zu dessen Ende im napoleonischen Zeitalter (1806). Das Kaiserthum Oesterreich wurde am 11. August 1804 von Erzherzog Franz von ÖsterreichErbmonarchie gegründet, der als letzter Kaiser (Cäsar) des HRR in die Kirchengeschichte einging. Nach dem Untergang führte Franz II. die H-Feudalherrschaft als Franz I., Kaiser von Österreich fort. Am 11. November 1918 entließ der letzte amtierende H-Kaiser seine Regierung und verzichtete auf Anraten des deutschösterreichischen Staatsrates auf jegliche Beteiligung an den Staatsgeschäften. Am folgenden Tag rief die Nationalversammlung die Republik aus. Im März 1919 verließ Ex-Kaiser Karl I. Deutschösterreich, im April wurden das Habsburgergesetz aufgelöst und das Adelsaufhebungsgesetz beschlossen. Am 12. März 1938 vollzog der Führer mit dem Unternehmen Otto (wie Otto von Habsburg) den deutschen Anschluss ans Habsburger Reich. Am 11. Oktober 2008 flog der berauschte Haider Girgl auf dem Heimweg ins Bärental aus der Kurve. Seit dem Rumser ist's bei der BayernLB niet mehr so wia's amoi war...



Nach der Halbzeitpause setzte sich das irrationale Wildererdrama im Bergwald nicht nur musikalisch fort: Ein stolzer Schütz in seinen schönsten Jahren, er wurde weggeputzt von dieser Erd. Man fand ihn erst am neunten Tage bei Tegernsee am Peißenberg. Am 6. Nov. 1877 (Luisa Francia' Göttinnenkalender: Baba Yaga) wurde der 29jährige Wildschütz Jennerwein laut Gerichtsakten von seinem Ex-Freund, dem Jäger Johann Pföderl, auf einer Waldlichtung am Peißenberg hinterrücks erschossen. Wäre der Girgl nit daschoß'n woarn, häd' den 90jährigen vielleicht beim Anschluss ans Habsburger Reich d'a Schlog d'roffa. Bayerische Wildschütz'n haben die Sendlinger Mordweihnacht nicht vergessen, bei der ein Anzinger Postmeister namens Hierner eine zwielichtige Rolle spielte. Wer weiß - vielleicht gehört der Jennerwein wie mein Ahndl zu jenen WiedergängerInnen, die solange umgehen bzw. koa Ruha geb'n, bis sie erlöst sind. Im Schwabinger Brausebad gab's für den Girgl, der das Spiel der Großkopferten vor dem großen Rumser durchblickte, kein Happyend wie bei der schwedischen Thronfolgerin, deren märchenhafte Geschichte bei den olympischen Sommerspielen in München begann. Für Silvia Renate Sommerlath jährte sich bei der Trauung ihrer Tochter der eigene Hochzeitstag (19. Juni 1976) zum 34igsten Mal. Spannend ist, dass der bürgerliche Schwiegervater des Schwedenkönigs, Walter Sommerlath, bis 1957 in Brasilien ein Stahlwerk dirigierte. Ob dort Stahlträger, Ölfässer oder Waffen hergestellt wurden, kann ich nicht sagen, ich weiß nur aus den Schlagzeilen, die meinen montäglichen Arbeitsweg flankierten, dass am Tam's-Abend eine betrunkene 44jährige Autofahrerin in Gießing mit voller Wucht ein Stahlgeländer rammte, so dass sich der eiserne Obergurt durch Motorhaube, Wageninnenraum und Heckscheibe bohrte. Die gebürtige Bulgarin muss einen stocknüchternen Schutzengel gehabt haben, da sie beim Horrorunfall nicht wie ein Grillhendl aufgespießt, sondern nur leicht verletzt wurde. Vermutlich wurde sie ins Rechts der Isar gebracht, wo ich neulich mit Brigid das Untergeschoß eines Gebäudes digitalisiert, das fast so alt ist wie die Haidhauser Armen- und Krankenanstalt. Ein Teil der Kräfte, die auf dem Kellergewölbe lasten, werden von gelben (RAL 1023 - traffic yellow) Stahlträgern auf Grundmauern übertragen. Vor Ort konnten wir uns keinen Reim auf die Geschichte machen, doch nach Donara' seltsamen Traum bekommen Haidhauser Stahlträger zwischen Prinzregenten und Einsteinstraße eine andere Dimension...

2 Kommentare:

  1. der gelbe stahlträger ist wirklich wunderhübsch. stahl ist auch wirklich brandgefährlich...

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  2. stahl ist nicht nur brandgefährlich (waffen) sondern auch im brandfall problematisch. tragende stahlteile benötigen eine ummantelung (anstrich, verkleidung aus gipskarton oder beton) um zu verhindern, dass der stahlträger neue formen annimmt bzw. im schlimmsten fall von der decke tropft.

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